Return to Arctic

Return To Arctic

Return to Arctic

Im Dachzelt im Winter bis ans Nordkapp und wieder zurück

Es gibt Reisen bei denen man nicht weiß, was einen erwartet. Man bereitet sich so gut wie möglich vor, informiert sich über alles und geht jede mögliche Situation durch. Am Ende, oder besser gesagt am ersten Tag ist es trotzdem eine Reise ins Ungewisse.

2019 haben wir bei unserem ersten Roadtrip mit unserem Canopy Camper das erste Mal das Nordkapp besucht. Bei dieser Reise entstand die Idee, im Winter noch einmal wieder zu kommen. Denn, wir lieben den Schnee und wollten unbedingt den Zauber der Polarnacht und der Aurora Borealis an diesem ganz besonderen Ort erleben. Seitdem machen wir uns Gedanken, planen und bereiten uns vor. Auf eine Reise, auf die man am Ende nie ganz vorbereitet sein kann. Trotz aller Planung war es ein Abenteuer, bis an die Grenze des Möglichen und bis ans Limit für Mensch und Maschine.

Die Reise beginnt

25. Dezember 2021. Ein Tag nach Weihnachten ging die Reise für uns los. Mit einem Camper, wie unserem ist es ganz einfach: einsteigen, losfahren und Urlaubsmodus an. Sobald wir auf der Straße unterwegs sind, sind wir frei. Frei hinzufahren wo wir möchten und anzuhalten wo es uns gefällt. Diese Art des Reisens liebt man oder eben nicht. Und wenn man es liebt, kann man nie genug davon bekommen. Na gut, ein bisschen Plan hatten wir schon. Das Ziel – der nördlichste Punkt Europas – war klar und am Abend waren wir mit Julian verabredet. Er sollte uns bei dieser besonderen Reise begleiten. 

Die ersten vier Tage wurden lange Fahrtage. Es hieß möglichst viel Strecke zu machen und so schnell es geht in den Norden zu kommen. Unsere Route führte über den Landweg und über Brücken durch Dänemark nach Schweden. In Schweden dann den kürzesten Weg, über Stockholm, an der Ostküste entlang gen Norden. Durch die pandemische Lage waren wir etwas angespannt wegen der Grenzübertritte. Wie sich zeigte, waren aber alle Sorgen unbegründet. Mit deutschem Pass und Corona-Impfzertifikat wird man ohne Probleme durchgewunken. Jetzt kann das Abenteuer richtig beginnen.

Das schöne am campen in Schweden und Norwegen ist, dass es zum einen überall viele Wälder und abgelegene Orte gibt und zum anderen, dass man als Camper willkommen ist und fast überall autark übernachten kann.

Nach Stockholm beginnen die Straßen sich bereits zu verändern. Was vorher eine zweispurige Autobahn war, wurde zu einer abwechselnd dreispurigen Schnellstraße und die Städtchen und Orte neben der Straße wurden seltener. Bereits hier wurde es schon um ungefähr 15 Uhr dunkel und man fährt an langen Fahrtagen fast die meiste Zeit in der Dunkelheit.

Tschüss Sonne, hallo Winterlandschaft

Nachts um 10 Uhr sind wir an unserem nächsten Etappen-Ziel angekommen. Kurz vor Sundsvall sind wir links abgebogen und ein Stück ins Hinterland gefahren. Wir konnten ungefähr einen Kilometer durch den Schnee in den Wald fahren. Irgendwann wurde der Schnee bis zu 30 Zentimeter tief, aber wir sind ohne Probleme am Stellplatz angekommen. Blieb nur zu hoffen, dass es in der Nacht nicht schneit und wir am nächsten Morgen genau so gut wieder herauskommen.

Das Glück blieb uns treu. Kurz den Wetterbericht gecheckt und den Wecker gestellt, damit wir vor dem – tatsächlich vorhergesagten – Schneefall wieder auf dem E4 Richtung Norden sind. Es war ein traumhaft schöner Stellplatz. Es hat etwas ganz eigenes, im eingeschneiten Wald die komplette Stille genießen zu können. Auch das herausfahren hat super funktioniert, die All-Terrain Reifen haben sich super geschlagen. Heute hieß es noch ein letztes Mal: Strecke machen. Auf diesem Abschnitt haben sich die Straßenbedingungen merklich angefangen zu verändern. Ab Umeå wurde es glatt und wir haben zur Sicherheit auf Allrad umgeschaltet. Mit angepasster Fahrweise war es aber, trotz späterem Schneefall, gut zu meistern.

Nach 2.500 Kilometern Anreise hatten wir uns einen Tag Pause redlich verdient. Frisch geduscht, mit gutem Essen und einem schönen Schneespaziergang lässt es sich gut neue Energie tanken.

Jahreswechsel mitten im Nirgendwo

Ein Tag vor Silvester war der erste Halt ein Supermarkt und schließlich auf nach Norden, möglichst nah an die Finnische Grenze. Die Straßen wurden, wie man es ahnen kann, immer kleiner und vereister. Wir haben im Dunkeln den Polarkreis überquert und waren bald an unserem heutigen Ziel angekommen. Ein verschneiter Waldweg, der bis zu einem See mit Saunahütte führt. Hier war der Schnee inzwischen wirklich tief, ungefähr einen halben Meter. Bis wir am finalen Stellplatz angekommen sind haben wir viel ausprobiert und Erfahrung gesammelt. Mit Maxtraxx und einer Schneeschaufel kann man sich gut wieder befreien, aber bei tiefem Schnee bekommt man nicht genug Schwung, um die schwere „Schneewelle“ vor dem Fahrzeug wegzuschieben. Heute haben wir gelernt, Schneeketten sind bei so viel Schnee Gold wert. Kaum waren sie aufgezogen konnten wir ohne Problem im Schnee fahren. Wir sind spät ins Bett gekommen, haben aber sehr viel gelernt, was uns bei der späteren Reise noch weiterhelfen sollte.

Am nächsten Tag war Silvester. Wir haben einfach die Einsamkeit  und die Landschaft genossen. Julian hat noch an seinem Gypsy die Differential-Sperren wieder an den Start gebracht, wir haben einen Podcast aufgenommen, die Sauna begutachtet und Feuerholz für das abendliche Lagerfeuer gesammelt. Zum Abendessen gab es leckere Tortillas und als Nachspeise köstlichen Tiefkühl-Kuchen. Auch die Natur hat uns zum Jahreswechsel nicht enttäuscht, nicht ganz pünktlich, um 1 Uhr Nachts durften wir die ersten Polarlichter dieser Reise bestaunen. So lässt sich Silvester aushalten.

Aus dem verschneiten Waldweg kamen wir am nächsten Tag mit den Schneeketten ohne Probleme raus. Über Pajala ging es dann über die Grenze nach Finnland und dann weitere 200 Kilometer mitten im Nirgendwo nach Norden zur Norwegischen Grenze. Die Grenzen waren beide nicht besetzt und sahen im dunkeln und der verschneiten Landschaft sehr einsam aus. Die schmalen und vereisten Straßen verliefen Kilometer lang durch wilde Natur und man trifft selten ein anderes Auto. Auch die Bäume werden langsam weniger und wandeln sich zu kleineren Büschen, die besser gegen die extremen Bedingungen im Polarkreis gewappnet sind. In der endlosen Weite und der langen dunklen Polarnacht leuchten gefühlt selbst die Zusatzscheinwerfer im Kühlergrill – die zu Hause alles taghell machen – nicht mehr sehr weit.

Kurz nach der norwegischen Grenze wurden wir mit extrem starker Polarlicht Aktivität überrascht. Wir haben nur eine kurze Toilettenpause gemacht und hatten auch fast unseren Schlafplatz erreicht, als das unglaubliche Schauspiel am Sternenzelt begann. So weit im Norden erstrecken sich die Polarlichter vom linken bis zum rechten Horizont über den ganzen Himmel. Die flammenartigen Bewegungen und das Spiel der leuchtenden Farben, muss man selbst erlebt haben.

Wie es bei Sternklaren Nächten oft der Fall ist, war es auch heute Nacht sehr kalt. Wir haben die -25 °C Marke überschritten und das erste Mal gab es Probleme. Da mit Abgasen im Schlaf nicht zu spaßen ist, haben wir um 3 Uhr Nachts entschieden, die Heizung auszuschalten und die restliche Nacht mit zusätzlicher Kleidung in den warmen Schlafsäcken zu verbringen. Zum Glück waren wir auf so ein Szenario vorbereitet und konnten noch ein paar Stunden gut schlafen. Am nächsten Morgen war es etwas wärmer, da es angefangen hatte zu schneien und wir haben die Standheizung wieder gestartet, dass die verrußte Brennkammer sich hoffentlich wieder frei brennt. Den Tag über wurde der Abgasgeruch immer weniger und als wir am Abend in Alta – einer kleinen Küstenstadt im Norden Norwegens – angekommen sind war der Geruch verflogen. Nach einer erholsamen Nacht und einer warmen Dusche auf einem schönen Campingplatz ging es an die letzte Etappe Richtung Norden.

Durchhalten

Die folgenden zwei Tagen wurden extremer als wir es uns hätten vorstellen können. Gleich zu Beginn der Etappe nach Honningsvåg ging es quer durchs Gebirge im Inland und das Wetter hätte nicht schlechter sein können. Richtig hell wird es inzwischen gar nicht mehr. Mittags hat man noch ungefähr zwei Stunden dunkles Dämmerungslicht, aber den restlichen Tag ist es dunkel und man verliert jegliches Zeitgefühl. Mit dem Schneesturm beginnt ein langer und anstrengender Fahrtag. Die erste Konvoifahrt war sehr anstrengend aber lehrreich. Man fährt mit Warnblinklicht und versucht an seinem Vordermann dran zu bleiben. Die Sicht ist zweitweise so schlecht, dass man kaum noch die Straße erkennen kann und keine vier Meter weit sieht. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir wieder an der Küste angelangt und es ging die kurvige Küstenstraße weiter nach Norden. Überall waren Schneewehen auf der Straße und man musste sehr aufpassen beim Fahren. Ein bisschen hatte man gehofft noch den Abendkonvoi zum Nordkapp zu erreichen, aber kurz vor Honningvåg war eine weitere Schranke noch für eine Stunden geschlossen und der Konvoi wurde auf Grund des schlechten Wetter ohnehin abgesagt.

Nach einer weiteren stürmischen Nacht checkten wir die Verkehrslage und gaben die Hoffnung nicht auf, dass heute morgen vielleicht doch ein Konvoi bis ans Nordkapp fährt. Pünktlich um 10 Uhr geht es auf die letzte Etappe der Hinreise. 25 km vor dem Nordkap ist die Schranke verschlossen und schon einige andere Fahrzeuge warten auf den nächsten Konvoi. Eine Stunde später erfahren wir, dass der Nordkappkonvoi abgesagt ist. Der Schneesturm, der uns seit Alta begleitet, ist zwar etwas ruhiger geworden, aber immer noch zu stark. Damit haben wir den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Die letzten 25 km sind im Vergleich zu den 3.500 km kaum relevant und wir sind auch so sehr stolz darauf, was wir geschafft haben. Uns ist aber auch bewusst, dass der Hinweg nur die Hälfte der Reise ist und der Rückweg mindestens genauso herausfordernd werden kann.

Nach geschossenem Erinnerungsfoto wenden wir uns das erste Mal seit fast zwei Wochen wieder Richtung Süden. Jeder Kilometer ist eine endlose Wiederholung aus Eis, Schneewehen, Sturm der gegen das Auto drückt und aufgewirbeltem Schnee der einem die Sicht nimmt. Das herausfordernde an der Fahrt durch den nördlichsten Norden im Winter sind nicht die extremen Wetter- und Straßenbedingungen allein, sondern auch die Tatsache, dass man nicht überall anhalten und Pause machen kann, sondern lange Strecke ohne Pause konzentriert durchfahren muss, da der viele Schnee einem keine Wahl lässt. Die letzten 100 Kilometer vor Alta wird unser Durchhaltevermögen noch einmal auf die Probe gestellt. Der Schneesturm erreich neue Dimensionen und 80 Kilometer vor dem Ziel warten wir noch einmal 3 Stunden auf einen Konvoi.

Der Hinweg ist nur die Hälfte einer Reise

Der Rückweg verging wie im Flug, trotz einiger Schwierigkeiten. Wir fuhren die Norwegische Küsten entlang bis nach Narvik, bogen dann nach Osten zur schwedischen Grenze ab und hatten mit extrem starkem Schneefall zu kämpfen. In Abisko und Kiruna hat uns das schöne Sonnenauf- und untergangslicht wieder begrüßt und die bergige Landschaft war wunderschön. Bei Jokkmokk kurz vor dem Polarkreis im Inland Schweden hatten wir schließlich die kälteste Nacht der ganzen Reise. Das Thermometer zeigte eine surreale Temperatur von -38 °C und unsere Standheizung machte wieder Probleme. Letztendlich haben wir herausgefunden, dass es nicht an der Standheizung lag, sondern an den feuchten Abgasen unseres Autos auf Grund des Ad-Blues. Am nächsten Morgen hat man gemerkt, wie alles Material an seine Grenzen kommt. Die Kameras spinnen, der Bordcomputer hängt sich auf und unserer Starterbatterie hat nicht mehr sehr Vertrauenserweckende Voltzahlen. Trotzdem, nach einer halben Stunde Motorstandheizung laufen lassen springt, der Motor auf dem gefühlt letzten Volt der Batterie an. Solche Temperaturen sind auch für hier extrem und eher selten. Im Inland haben wir endlich auch noch einige Rentiere und einen Elch gesehen! Damit war die Checkliste komplett.

Zwei Pannen, die auch in einer Katastrophe hätten Enden können standen uns noch bevor. Erst ist ein Teil der Kupplung bei Julians Gypsi kaputt gegangen. Nach einer nächtlichen und abenteuerlichen Fahrt ohne Kupplung und einem halben Tag auf dem BILTEMA Parkplatz konnte die Fahrt wieder weiter gehen. Am nächsten Abend ist der Gypsi beim wenden seitlich von der Straße abgekommen und in einen Graben reingerutscht. Ein Hilfsbereiter Bauer kam zur Hilfe und hat mit seinem Traktor den Gypsi aus seiner gefährlichen Schräglage gerettet. Zwei Dinge haben wir gelernt: eine Flasche Alkohol als Dankeschön kommt hier gut an und Hilfsbereitschaft wird hier oben großgeschrieben. Wir haben sogar noch einen leckeren Käse von den eigenen Kühen des Bauern geschenkt bekommen. Und Julian wird wohl das nächste Mal genau hinschauen, bevor er das nächste Mal in einen Schneehaufen fährt 😉

Die letzten Tage bestanden aus einem kleinen Schneeketten-Abenteuer, einer nächtlichen Dusche im Shower-Cube bei Minusgraden und einigen Kilometern nach Hause. Je weiter wir in den Süden kamen, desto milder wurde es. Der Schnee wurde weniger, das Tageslicht wieder mehr und das ganze Eis am Auto taute langsam wieder auf.

Es war ein weiter Weg, hin und zurück bis zum nördlichsten Punkt Europas. Wir haben viel gesehen und erlebt und uns endlich den Traum mit dem eigenen Auto Skandinavien im Winter zu erleben erfüllt. Ich denke man kann sagen, wir haben viel dazu gelernt und sind um einige Erfahrungen reicher, was Wintercamping angeht. Die Reisezeit war nicht ganz optimal, da man im Spätherbst oder Frühjahr etwas mehr Tageslicht hat, aber die Polarnacht im Januar war ein extremer Gegensatz zu der Mitternachtssonne im Juni, die wir auch schon erleben durften.